Samstag, 1. Juni 2013

Helmut Schmidt und die Menschenrechte

http://www.freitag.de/autoren/ernstchen/helmut-schmidt-und-der-werteexport

Wie oft habe ich das nicht schon gehört: "Die Menschenrechte sind ein Erzeugnis der Ära der Aufklärung im Westen. [...] Warum sollten sie [universell] sein? [...] Dieser Drang nach Belehrung und nach Mission ist eine sehr westliche Art." Untermauert hat er das mit einer ganzen Latte an Aufzählung verschiedener historischer Reiche und Religionen, die ja auch alle die Menschenrechte nicht hatten.

Dass die Menschenrechte sehr wohl universell sind und keinesfalls eine rein westliche Erfindung sind, möchte ich kurz aufzeigen:

Die Abfassung der Erklärung der Menschenrechte von 1948 war vor allem von vier Westler/-innen (Eleanor Roosevelt (USA), John Humphrey (Kanada), René Cassin und Jacques Maritain (Frankreich)) und nur zwei Nichtwestlern (Charles Malik (Libanon), Peng-chun Chang (China)) unternommen worden.

Die Erklärung von 1948 wurde von Vertreter/-innen folgender Staaten unterstützt:

Westliche Staaten (weit gefasst):
Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Kanada, Dänemark, Frankreich, Rumänien, Griechenland, Island, Luxemburg, Niederlande, Neuseeland, Norwegen, Panama, Schweden, Großbritannien, USA

Nichtwestliche Staaten:
Afghanistan, Bolivien, Burma, Chile, China, Kolumbien, Costa Rica, Kuba, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Ägypten, Äthiopien, Guatemala, Haiti, Indien, Iran, Irak, Libanon, Liberia, Pakistan, Mexiko, Nicaragua, Paraguay, Peru, Philippinen, Syrien, Thailand, Türkei, Uruguay, Venezuela

Es fehlen zwar vor allem nahöstliche (islamische) Staaten. Aber als westliches Projekt kann man das angesichts der damals anwesenden Befürworter keinesfalls bezeichnen. (Dagegen sprach sich kein Staat aus, Enthaltungen gab es acht – v.a. aus dem Ostblock.)

Auch, dass die Menschenrechte eine rein aufklärerische Erfindung seien, stimmt so nicht. Die säkulare weltweite Universalität mag zwar neu sein, aber menschenrechtliche Ansätze reichen historisch bis in die Antike zurück, und hier keinesfalls (nur) im Westen. Erinnert sei an das Ahimsa-Gebot in Teilen des Hinduismus und im Buddhismus, an die Gleichheit aller Menschen vor Gott im Christentum, an weitgehend egalitäre Strukturen in einigen indigenen (vor allem mutterrechtlichen) Stämmen, an demokratische Ansätze im antiken Griechenland, an Ansätze von gleichen Rechten für alle in der Stoa und Menschlichkeitsgeboten in diversen antiken Philosophien (westliche wie östliche) oder an die altpersischen Grundsätze am Kyros-Zylinder.

Und dass Folter immer weh tut, egal in welcher Kultur zu welcher Zeit man lebt, dürfte wohl auch jedem einleuchten. Ich möchte hier mein Lieblings-Parade-Beispiel der Antike anführen: Spartacus. Sklav/-innen, die wissen, dass sie versklavt sind, die wissen, dass man auch in Freiheit leben kann, sind nicht gerne versklavt. Im alten Rom ebensowenig wie heutzutage.

Anderes Beispiel: Die versklavte Bevölkerung Haitis hatte sich im 19. Jhdt. die Grundsätze der französischen Revolution zum Vorbild genommen, um die Sklaverei abzuschütteln und die Machthaber zu vertreiben. Ein weiterer Beweis dafür, dass eine Idee, bloß weil sie an Ort A erfunden wurde, deshalb noch lange nicht an Ort A verbleiben muss sondern Menschen auf der ganzen Welt inspirieren kann. Warum auch nicht?

Das Vorhandensein von Folter, Unterdrückung oder Sklaverei in einem Staat mag vielleicht als Grund dafür gelten, warum es als normal empfunden wird. Eine ethische Aussage, dass es deswegen in Ordnung sei, lässt sich daraus aber lange nicht ableiten. Es ist aber das gefährlichsten und grauenvollste, das passieren kann: Wenn Sklaverei als normal empfunden wird. Schon Marie von Ebner-Eschenbach sagte: „Die glücklichen Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit.“ Ich will nicht warten, bis wir schleichend versklavt sind und es gar nicht mehr merken …

Wenn also die chinesische Regierung meint, dass die Zustände in China und die Menschen in China so anders sind, dass die Menschenrechte für sie nicht gelten, weil das unchinesisch sei, dann ist das schlicht Bullshit. Zum einen hatte China 1948 selbst dafür gestimmt, zum anderen – wie gesagt – Folter tut immer weh, und chinesische Menschenrechtsaktivist/-innen sind faszinierenderweise ganz anderer Meinung als ihre Machthaber. Die sind nämlich offenbar ganz und gar nicht der Meinung, dass ihre chinesischen Gene keine Menschenrechte bräuchten.

Und nicht nur in China, auf der ganzen Welt gibt es Menschenrechtsaktivist/-innen, die in ihren Ländern, oft unter Lebensgefahr, für ihre Rechte und mehr Demokratisierung kämpfen. Das heißt, wir bösen Westler/-innen brauchen gar nicht zu missionieren. Die unterdrückten Menschen der Welt wissen selbst, woran sie leiden, und dass sie für ihre Grundrechte kämpften müssen. Was sie allerdings sehr wohl brauchen, ist unsere Solidarität. Auf der ganzen Linie. Aber unsere Politiker/-innen pulvern unser Steuergeld lieber in marode Banken als in menschenrechtliche Projekte, die das Leben lebenswerter machen könnten ….

Es ist m.E. daher arrogant und rassistisch, wenn man behauptet, die Menschenrechte gelten nur für den Westen, weil sie im Westen erfunden wurden. Was hier als Respekt vor anderen Kulturen verkauft wird, ist nichts anderes als Ethnopluralismus – die Ansicht der chinesischen Machthaber. Menschen seien überall verschieden, deshalb, bräuchten alle anderen keine Menschenrechte. Faszinierenderweise kommen solche Aussagen nur von regimetreuen Machthabern. Menschen, die Unterdrückung leiden, sagen sowas für gewöhnlich nicht.

Das einzige, das arrogant, oder besser bigott ist, sind die Regierungen der westlichen Welt. Sie predigen Wasser und trinken Wein. Sie faseln von Menschenrechten und brechen sie genauso – wenn auch eher indirekt – wie die Machthaber der von ihnen angegriffenen Staaten. Wer mit Saudi Arabien, Russland und China (als Beispiele) uneingeschrenkt Handel treibt zu deren Bedingungen und dann hin und wieder von Menschenrechtsverletzungen ganz leise spricht, ist ein Heuchler. Wer reichen Firmen staatlicherseits erlaubt, so lange out-zu-sourcen, bis in Europa keine Fabrik mehr steht, dafür aber 100.000e Kinder und Frauen in Bangladesh und sonstwo unter miserabelsten Bedingungen zu Hungerlöhnen schuften müssen, nur damit die Manager noch mehr Kohle machen können und die Politiker sie an ihrer Seite haben, wäre als Machthaber in China besser aufgehoben. Wer in Staaten einmarschiert, nur weil sie nicht in ihren Kram passen oder weil man dort schadlos Ressourcen ausbeuten kann, und das ganze unter dem Label „Wir bringen euch Demokratie und Menschenrechte“ verkauft, ist ein Verbrecher, vor allem dann, wenn die eigenen Streitkräfte moralisch nicht viel besser sind als die, die sie bekämpfen. (Ich frage mich immer wieder, warum man in den Irak einmarschierte aber für Rwanda keinen Finger rührte …)

Das Problem sind nicht die Menschenrechte – diese zu missionieren – natürlich mit Respekt und Feingefühl – ist Menschenpflicht. Das Problem sind westliche Machthaber, die auf die Menschenrechte genauso scheißen wie ihre nichtwestlichen Kollegen. Der einzige Unterschied ist, dass wir hier in der glücklichen Lage sind, dass wir ein paar Jahrzehnte Menschenrechtsverwirklichung hinter uns haben, was uns einen gewissen rechtsstaatlichen Wohlstand beschert. Ein Wohlstand, der gar nicht so auf den Konsum oder ein gutes BIP ankommt sondern auf gerechte Verteilung. Vergleichsweise hat das arme Kuba nämlich ebenfalls einen sehr hohen sozial-gerechten Status geschaffen. Es kommt also nicht drauf an, wieviel Vermögen ein Staat hat sondern wie es verteilt wird. Verteilungsgerechtigkeit ist die Grundlage, um Menschenrechte überhaupt sinnvoll verwirklichen zu können!

Wir brauchen nicht weniger Menschenrechte sondern mehr, viel mehr. Und zwar global. Den Chinesen weiterhin freie Hand im Handel zu lassen, ist daher das absolut falsche Zeichen. Es würde uns allen helfen, wenn man Waren aus Ländern, die massive Menschenrechtsverletzungen betreiben, wo Arbeiter/-innen massivst ausgebeutet werden, wenn für diese Waren hohe Zölle gezahlt werden müssten. Vielleicht kämen dann ein paar Firmen wieder zur Vernunft und würden sich in Europa ansiedeln, und China & Co wären auch gezwungen, ihre Politik zu überdenken.

Mein Fazit zum Sager von Helmut Schmidt: Note fünf, setzen!

Samstag, 25. Mai 2013

Arbeiterklasse von heute

Es gibt heute keine Arbeiterklasse mehr.
Das sind nämlich keine Arbeiter mehr, sondern Mindestlohnsklaven.
Und die haben denselben Tarifvertrag
wie die Typen, die damals die Pyramiden gebaut haben.
(heute show)

Montag, 29. April 2013

Die 7 Freunde der freien Wissenschaft

Die 7 Freunde der freien Wissenschaft
- freies Denken
- freies Forschen
- Selbstkritik
- Vielfalt an Wissen
- eine ganzheitliche Ethik
- unabhängige staatliche Förderung
- freier Zugang zum Wissen für alle

(noch ein paar Gedanken von heute)

Die 7 Feinde der freien Wissenschaft

Die sieben Feinde der freien Wissenschaft:
- Elitenbildung
- Korruption
- Abschottung
- Skrupellosigkeit
- Geheimhaltung
- Redeverbot
- Denkverbot

(meine Gedanken von heute in Bezug auf die Gentechnik-Multis)

Montag, 15. April 2013

Zum Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien

Warum ich das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien unterstütze
Autorin: Claudia Jenik


http://www.kirchen-privilegien.at/

(folgender Artikel ist gegendert - mal männlich, mal weiblich – gemeint sind immer alle)

Ich bin im Grunde meines Herzens ein religiöser Mensch. Ich glaube an die spirituelle Existenz von Göttinnen und Göttern, vielleicht auch an ein seelisches Leben nach dem Tod, an die Sinngebung des an und für sich neutralen, sinn-losen Lebens durch Religion, Mystik, Spiritualität, Kunst, Philosophie oder ähnliche sinngebende Dinge. Ich glaube daran, dass Religion, wenn sie positiv und lebensbejahend ist, wenn sie den Menschenrechten und der fassbaren Realität nicht allzu sehr im Wege steht, Hilfe, Hoffnung, Kraft und Angelpunkt für Menschen sein kann (aber nicht sein muss). Meine Religion, das neue Heidentum, ist definitiv nicht vernünftig. Mich reizen die Kulte und Rituale, die Gebete, der Duft von Weihrauch, die sinnlichen Teile von Zeremonien und die göttliche Ergriffenheit, wenn ich an antiken Tempelruinen weile, in Trance tanze oder Hymnen in antiken Sprachen rezitiere. Ich mag die vielen bunten Gottheiten, die man mit Opfergaben und Gebeten bewegen kann, das Schicksal zu wenden. Es freut mich, im Kreise meiner heidnischen Freundinnen Riten zu feiern und gemeinsam die Gottheiten zu verehren. Ich befürworte also die für mich positiven Seiten der Religion, die Dinge, die den Menschen helfen und den grauen Alltag bereichern, die Dinge, die das Herz berühren.

Trotzdem, oder gerade deswegen, habe ich das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien unterstützt. Denn ich bin nicht nur ein religiöser Mensch. Ich bin auch eine Verfechterin der Aufklärung, der Laizität des Staates und der Menschenrechte. Denn genauso wie ich die oben beschriebenen für mich positiven Seiten der Religiosität liebe, genauso kann ich die schädlichen und verdummenden Seiten der Religion nicht leiden. Ich bin feind von Klerikalismus, Dogmatismus, Absolutheitsanspruch, Apologetik, Gruppenzwang, Angstmacherei und religiös legitimierter Gewalt und Menschenrechtswidrigkeiten.

Religion ist ein uraltes vielschichtiges Phänomen der Menschheitsgeschichte. In der heutigen Zeit der Nationalstaaten und der Globalisierung hat sich Religion in weiten Teilen zu einem individuellen Glaubensbekenntnis entwickelt. In Stammesgesellschaften und in theokratischen Staaten gab (und gibt) es Religion (also Götter/Geisterglauben, Kult und Mythos) nur im Kombipack mit Stammeszugehörigkeit, Ethik und Moral, Kultur und Kunst, Gesetzen und Gepflogenheiten, Tabus und natürlich mit einer unumstößlichen Gesellschaftsordnung (meist zuungunsten der Frauen) – legitimiert durch Ahnen, Gottheiten oder ein heiliges Buch. Solange man hermetisch in diesem Stamm oder Staat lebt, gibt es nichts anderes, und Kritik am System ist schwierig bis unmöglich.

Spätestens seit der Antike aber, vielleicht auch schon früher, lernten immer mehr Völker voneinander – bedingt durch Krieg oder Handel. Und seit damals gibt es Religionsvermischung (Synkretismus, Eklektizismus) und oft die Möglichkeit, anderes als Althergebrachtes zu glauben und zu leben. Natürlich kam und kommt es dabei darauf an, wie flexibel und liberal der Stamm oder der Staat ist. Das alte, kaiserzeitliche Rom z.B. war, trotz seiner ansonsten imperialistischen Unrechtspolitik, ziemlich tolerant gegenüber den „barbarischen“ Religionen. Solange man romtreu war und zumindest offiziell den römischen Staatsgottheiten huldigte, durfte man glauben und praktizieren was immer man wollte. Die „fremden“ Gottheiten bekamen sogar allenorts schöne römische Tempel gestiftet und wurden ohne Weiteres neben oder sogar zusammen mit den römischen Göttern verehrt.

Dieser gegenseitige religiöse Austausch und die Synkretismen sowie auch die Kritikmöglichkeiten sind in der heutigen globalen Welt natürlich auf einem Höhepunkt. Heutzutage kann man durch die Medien sehr leicht anderes kennenlernen – und auch daran Interesse finden. (Jedenfalls dann, wenn man nicht ganz abgeschottet in einer Diktatur oder im hintersten Urwaldwinkel wohnt.)

Für den Rechtsstaat heißt das m.E., dass er die Konsequenzen ziehen muss und das Phänomen Religion von der Gesetzgebung und von der Leitkultur abspalten muss. Vor allem deshalb, weil, im Gegensatz zum römischen Reich, das Christentum in Europa gegen jede andere Religion absolut restriktiv vorgegangen ist. Im Mittelalter und in der Neuzeit war es eben NICHT möglich, neben der katholischen Kirche (und später neben der evangelischen Kirche) noch andere Kulte zu praktizieren. Dieses Faktum hat wahrscheinlich - weltweit ziemlich einzigartig - mit dazu beigetragen, dass die Aufklärung, die Entwicklung der Wissenschaften und die Kirchenkritik in Europa ihren Ursprung haben.

Die Kirchengeschichte wäre jedenfalls wesentlich unangestrengter verlaufen, wäre den Menschen neben der offiziellen Staatskirche die Freiheit geblieben, zu glauben was sie wollten. Das alte Heidentum wäre nicht radikal vernichtet oder in den christlichen Kirchen assimiliert worden sondern hätte daneben weiter existiert – ähnlich wie in China oder Japan der alte Götter- und Ahnenglaube neben dem Buddhismus auch bis heute weiterlebt.

Worauf ich hinaus will:
Religiöser und ideeller Pluralismus sind unvereinbar mit einem modernen Rechtsstaat, der EINE Religion (aus Tradition) bevorzugt und diese zur Leitkultur erklärt. Die einzige Leitkultur sollte heutzutage aus einem nichtkonfessionellen Verständnis für Ethik und Humanismus entstehen. Eine Ethik, die alle Menschen, alle Bürger/-innen mit meint, nicht nur die Anhängerinnen des abrahamitischen Gottes. Das heißt aber, dass diese Ethik, diese Leitkultur frei von religiösen Bindungen, Idealen und Symbolen werden muss. Als Nichtchristin fühle ich mich manchmal schon recht komisch, wenn ich Kreuze in öffentlichen Schulen oder auf Richtertischen sehe, wenn ganz selbstverständlich ein katholischer Pfarrer ein öffentliches Gebäude einweiht, wenn man durch die Medien den Eindruck gewinnt, als hätte das Christentum die Menschlichkeit erfunden.

Der Staat an sich sollte sich m.E. neutral verhalten gegenüber den verschiedenen Konfessionen und Weltanschauungen. Das heißt natürlich nicht, dass Vertreter/-innen von Religionen keine Aussagen zu Politik machen dürfen oder dass Politiker/-innen konfessionslos sein müssen. Es geht um die juristische Person „Staat“, um die Gesetze, die Verfassung, die öffentlichen Gebäude und Einrichtungen.

Weitergedacht können bei einer klaren Trennung von Kirchen und Staat auch die Religionsgemeinschaften, auch die großen, nur gewinnen. Denn wenn alle gleichgestellt sind, gibt es tatsächlich einen „ehrlichen Wettbewerb der Kräfte“, die Religionen werden auf sich selbst zurückgeworfen, werden zu dem, was sie sein sollten – sinnstiftende, spirituelle Vereine mit passendem Glauben und Riten, und nicht, wie jetzt, halbstaatliche, weltliche Einrichtungen. Die großen Kirchen werden vielleicht schrumpfen, dafür blieben eher die Gläubigen erhalten, die es wirklich ernst meinen. Ganz ehrlich – welche Religionsgemeinschaft kann wirklich darauf stolz sein, dass der Großteil ihrer Mitglieder nur aus unwissenden, uninteressierten Mitläufern (Taufscheinchristinnen) besteht? Irgendwie finde ich das erbärmlich …

Was Atheisten manchmal sagen, dass sie selbst oft mehr Ahnung vom Christentum haben als Taufscheinchristen, trifft auch auf uns Heidinnen zu. Der Grund ist einfach: Wer sich als Erwachsener ENTSCHLIESST, einem anderen Glauben, einer anderen Idee zuzuwenden, macht sich für gewöhnlich viel mehr Gedanken über Religion oder Nicht-Religion als jemand, der einfach reingeboren wird und nur aus Tradition dabei bleibt. Eine Trennung von Staat und Kirche würde vielleicht auch die religiöse Wahlfreiheit fördern und damit unter Umständen auch das individuelle Nachdenken über diese grundsätzlichen Themen.

Der Wunsch nach Trennung von Kirche und Staat bedeutet natürlich nicht, dass sich der Staat in religiöse Angelegenheiten nicht einmischen sollte. Er sollte es dann tun, wenn Gefahr droht, wenn Straftatbestände auftauchen. Ein konfessioneller Religionslehrer darf auch in einem konfessionellen Religionsunterricht die Kinder nicht verhetzen, und eine Predigerin darf auch in einem laizistischen Modell nicht zu Mord und Totschlag gegen Andersdenkende aufrufen. Das versteht sich hoffentlich von selbst!

Aber nun zum Volksbegehren.

Ich habe irgendwie das Gefühl, dass sich die 14 anerkannten Religionsgemeinschaften (wovon die meisten übrigens christlich sind) angesichts der Wünsche der Laizist/-innen ähnlich unwohl fühlen wie Männer in männlichen Machtpositionen angesichts der Wünsche der Feminist/-innen. So wie der Feminismus die Gleichberechtigung und Chancengleichheit für beide Geschlechter fordert, fordert der Laizismus die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Ideologien und Religionen durch den Staat, was staatliche Neutralität zu Religionen voraussetzt. Das heißt natürlich, dass die, die jetzt ungerechtfertigt (wie ich meine) gefördert werden, genau diese Förderung verlieren, ebenso wie es in einer gleichberechtigten Gesellschaft keine Bevorzugung der Männer mehr gibt (aber natürlich auch keine Bevorzugung der Frauen).

Schauen wir uns mal die einzelnen Punkte aus meiner persönlichen neuheidnischen Sicht an:

1. Zur Abschaffung kirchlicher Privilegien

Kein Problem damit. Wohltätige Organisationen wie Caritas oder Diakonie können auch extra gesponsert werden (vorausgesetzt, sie haben dieselben Arbeitsrechte wie andere ähnliche Vereine – es geht nicht an, dass der Staat zum Großteil eine Organisation fördert, die keine Nichtchristen einstellen will). Die religiösen Institutionen an sich sollen sich gefälligst selbst finanziell durch Spenden und Mitgliedsbeiträge erhalten. Unsere heidnischen Vereine werden vom Staat auch nicht unterstützt.

(Dummerweise erfüllen wir Neuheiden keine der formalen Vorgaben für die staatliche Anerkennung zur Religionsgemeinschaft. Wir wären zwar super rechtsstaatlich, Frauen und Männer sind gleichberechtigt, wir sind zum Großteil basisdemokratisch organisiert, pluralistisch, haben keinen dogmatischen Klerus, sind also voll fitt für die Demokratie, viel fitter als die meisten der derzeitig anerkannten Religionsgemeinschaften - in den meisten von ihnen sind Frauen Menschen zweiter Klasse! Aber uns neuen Heidinnen fehlt die Quantität an „Gläubigen“, ein einheitliches Bekenntnis und einheitliche Riten (wir bestehen vielmehr aus mehreren verschiedenen autarken Bekenntnisgrüppchen).)

Abgesehen davon finde ich es nicht fair, dass mit Strafe nach dem § 188 StGB (Blasphemieparagraph) nur die bedroht sind, die religiöse Lehren oder Symbole der anerkannten Religionsgemeinschaften herabwürdigen. Wenn ich auf der Donauinsel mit Freunden ein Ritual feiere, und eine Gruppe Rowdies lacht uns aus und spuckt auf unsere Göttinnenstatue, gilt der § 188 StGB nicht.

Dass religiös geführte Krankenhäuser und Schulen gefördert werden (im Gegensatz zu nichtreligiösen privaten), dass es Steuervergünstigungen bloß wegen der Religion gibt und dass es immer noch die Uraltversion des Religionsunterrichts mit Abmeldemöglichkeit gibt, ist einfach nur ärgerlich.

2. Für eine klare Trennung von Kirche und Staat

Dafür. Meine Gründe hab ich schon oben dargelegt.

3. Für die Streichung gigantischer Subventionen an die Kirche.

Wie „gigantisch“ die Subventionen sind, weiß ich nicht. Grundsätzlich wäre es mir sowieso lieber, dass große staatliche Gelder Bedürftigen, Behinderten, Kindergärten, Pflegeheimen, Krankenhäusern, alleinerziehenden Menschen, Stipendien, Entwicklungshilfen in 3.-Weltländern, Umweltschutz, Bildung etc. zukommen und nicht Organisationen und Menschen, die eh schon mehr als genug haben. Ich sehe die Kirchenförderung hier daher als Teilproblem des immer asozialer werdenden Staates.

- Für ein Bundesgesetz zur Aufklärung kirchlicher Missbrauchs- und Gewaltverbrechen

Ob da wirklich ein Bundesgesetz notwendig ist, weiß ich nicht. Es reicht eigentlich eine unabhängige Aufklärungskommission (ich meine wirklich unabhängig). Blöd halt nur, dass nicht nur kirchliche Heime betroffen sind, sondern die Kinder in säkularen Heimen genauso missbraucht und misshandelt wurden. Dass diese Verbrechen unter allen Umständen gefälligst bearbeitet und aufgeklärt werden sollen und die Betroffenen angemessen entschädigt, versteht sich von selbst. Alles andere ist bigott und ein Hohn für die Opfer.


Fazit:

Ich befürchte, dass, auch wenn genügend Leute das Volksbegehren unterschreiben, es, wie alle anderen davor, in der Versenkung verschwinden wird. Der österreichische Staat wird auch noch die nächsten 100 Jahre kirchenlastig sein. Und ich befürchte weiter, dass durch die rundherum stattfindende Fanatisierung verschiedenster Religionen die Sache eher schlechter als besser wird. Der wachsende Islam könnte in Europa zu einer Rückkehr christlicher Bürger zu einem schon von „St. Rache“ geforderten „wehrhaften Christentum“ führen, und die nicht rosig ausschauende Zukunft (Überbevölkerung, Klimawandel, Ressourcenknappheit, vermehrte Armut) bewirkt wahrscheinlich auch vermehrte Zuwendung zu fanatischen Heilslehren.

Um den Artikel aber mit etwas Erfreulichem abzuschließen, hier einige Punkte, wie ich mir ein Szenario in Österreich, die Religionen betreffend, vorstelle:

- Trennung von Kirchen und Staat, der Staat ist neutral und säkular.

- Verpflichtender Ethik- und Religionenunterricht in der Schule für alle. Konfessionelle Bildung wird von den Konfessionen organisiert und bezahlt und findet in der Freizeit statt.

- Alle Bekenntnisgemeinschaften sind gleichgestellt. Niemand bekommt mehr aufgrund einer Religion Sonderrechte.

- Abschaffung des Blasphemieparagraphen.

- Der öffentliche Raum kann jederzeit für Happenings, auch religiöse, genutzt werden. Eine heidnische Prozession soll genauso einfach möglich sein wie eine katholische zu Fronleichnam. (Ich bin sowieso der Meinung, dass der öffentliche Raum viel zu sehr zu einem reinen Konsumraum verkommen ist, der die Armen ausschließt.)

- Vor Gericht möchte ich auf meine Göttinnen und Götter schwören dürfen, und ein Atheist auf Darwin (wenn er das will *g*).

- Der Staat soll sich vermehrt wieder seiner sozialen Verantwortung bewusst werden und dafür sorgen, dass der Sozialstaat gut funktioniert. Es kann nicht sein, dass die soziale Verantwortung auf die Kirchen oder private Hilfsvereine abgewälzt wird.

- Alle religiösen Feiertage (also alle außer 1. Jänner (der ist zwar religiös, aber wird in erster Linie säkular gefeiert), 1. Mai und 26. Oktober) werden abgeschafft – zugunsten einer entsprechenden selben Anzahl zusätzlicher verpflichtender Urlaubstage, die individuell genommen werden können.

- Gebäude, die die Kirche nicht mehr selbst erhalten kann, muss sie veräußern. Wenn sie denkmalgeschützt sind, sollen sie das auch weiter bleiben. Schöne Architektur ist immer nett und sollte nicht kaputtgehen. Außerdem finde ich die Pflege des Kulturerbes wichtig – was nicht heißt, dass ein Kirchenbau deshalb unbedingt noch der Kirche gehören muss.

Soweit mal ein paar Gedanken meinerseits.

Sonntag, 14. April 2013

Geld

Der Mensch ist nicht frei,
wenn er einen leeren Geldbeutel hat.
(Lech Walesa)

Denken ist ...

Denken heißt immer Infragestellen,
und es gibt immer etwas, das nicht gern infrage gestellt wird.
(Konrad Paul Liessmann)

Gut, Böse und Gras

Die Welt ist und bleibt böse,
egal wieviel Gras Du qualmst!
(aus dem Film "Gefährliches Gras")

Néel-Zitat 1

Nur, wer alleine reist, reist richtig.
(aus dem Film um Andrea David-Néel)

Katzen miauen, Hunde bellen,
und ich philosophiere - so bin ich nun mal!
(aus dem Film um Andrea David-Néel)

Philosophisches von Schmidt-Salomon

Carpe diem:
Es ist besser, den Jahren mehr Leben zu geben,
als dem Leben mehr Jahre.
(Michael Schmidt-Salomon)

Nur dem Gleichgültigen erscheint alles gleichermaßen gültig.
(Michael Schmidt-Salomon)

Jugend schützt vor Weisheit nicht.
(Michael Schmidt-Salomon)

Auch goldene Ketten sind: Ketten.
(Michael Schmidt-Salomon)

Wahrheit wird nicht gefunden, sondern erfunden.
Das heißt nicht, dass sie beliebig ist, denn es gibt gute und schlechte Erfindungen.
(Michael Schmidt-Salomon)

Der Sinn des Lebens: ihn zu suchen.
Der größte Unsinn: zu glauben, ihn gefunden zu haben.
(Michael Schmidt-Salomon)

Lebenskunst

So wie Holz das Material des Zimmermanns ist,
so ist das Material der Lebenskunst das Leben jedes Einzelnen.
(Epiktet)

Ethik und Gott

Kein wahres ethisches System
kann in den Geboten Gottes gründen.
(Derek Parfit)

Realität

Realität ist das, was nicht verschwindet,
wenn man aufhört, an es zu glauben.
(Philip K. Dick)

malische Weisheit

Wenn ein Mensch nicht gut ist,
ist auch seine Religion schlecht.
(islamischer Prediger aus Mali)

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