Montag, 8. Juli 2013

Feige Hunde

Ich bin nicht fassungslos über die Aufdeckungen von Edward Snowden. Irgendwie haben wir es ja alle „gewusst“ bzw. geahnt. Und mir kann kaum ein/e Politiker/in erzählen, dass er oder sie es nicht gewusst hätte. Die angebliche Empörung über die Abhörungen auch höchster politischer Einrichtungen durch die NSA bringt mich zum Kotzen. Dazu kommt, dass die europäische Politik und Wirtschaft natürlich auch ein großes Interesse an der Durchsichtigkeit von uns Bürger/innen haben und das Spiel wahrscheinlich auch schon eine Weile mitspielen.

Trotz allem – angenommen, die europäischen Machthabenden haben es wirklich nicht gewusst oder geahnt, und die Empörung war echt – was läge dann näher, als den Enthüller für seine Heldentat zu belohnen, ihm Asyl zu gewähren?

Aber das tut man nicht. Man könnte sich ja die Finger verbrennen. Nicht dass jemand ernsthaft befürchten müsste, dass die USA Europa mit Waffengewalt angriffen, aber die Wirtschaft und die Diplomatie und – nunja, ich erwähnte ja schon, dass auch wir in Europa Geheimdienste und Spione haben, die vielleicht mit den US-Geheimdiensten packeln, wenn es gerade passt.

Also freut man sich politischerseits über die Enthüllungen (oder auch nicht und tut nur so – damit es fürs blöde Volk besser ausschaut), aber den Enthüller soll bitteschön wer anderer nehmen, denn wir wollen unseren diplomatischen Frieden mit den USA nicht gefährden. Feige Hunde! Sag ich da nur. Denn nichts anderes als bodenlose Feigheit ist es, so einen Menschen nicht aufzunehmen. Ist es schon schlimm genug, afrikanische Flüchtlinge mittels Frontex (der Name klingt wie ein Insektenvertilgungsmittel) im Meer ersaufen zu lassen oder in unseligen Lagern am Südrand Europas ihrem Schicksal zu überlassen. Aber Snowden beweist, dass es auch nichts nützt, weiß, männlich und gut gebildet zu sein. Insofern auch wieder gerecht, wenn auch in eine Richtung, die mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt …

Man muss schon ein berühmter Fußballer oder eine berühmte Opernsängerin sein, um schnell die österreichische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Das macht was her, und man macht sich beliebt in der Schickeria, bei den Reichen, und man eckt politisch nicht an. Aber die anderen, die Armen, und neuerdings auch die Aufdecker, sollen bitteschön sonstwo hingehen aber nicht zu uns. (Venezuela, Bolivien und Nicaragua gelten nicht gerade als westliche Rechtsstaaten, sind mir aber gerade sehr sympathisch, weil sie als einzige Snowden aufnehmen würden.)

Dabei erfüllt Snowden durchaus den Asylgrund des politisch Verfolgten. Ihm wurde der Pass für ungültig erklärt, und dass die USA mit „Verrätern“ keineswegs zimperlich umgehen, beweist der Fall Bradley Manning – der Whistleblower, der WikiLeaks mit den grauslichen Wahrheiten über den Afghanistan-Einsatz versorgte. Nein, natürlich wurde er nicht hingerichtet oder gefoltert (die westliche Welt foltert doch nicht – jedenfalls nicht offiziell …), aber seine Haftbedingungen könnte man durchaus mit Folter vergleichen. Wer wissen will, wie man aus einem selbstbewussten, denkenden Menschen Gemüse macht, braucht sich nur den Haftbedingungen von Bradley Manning unterziehen. Snowden könnte durchaus ein ähnliches Schicksal drohen – in einem „Rechtsstaat“ wohlgemerkt!

An dieser Stelle frage ich mich, was einen offiziellen Rechtsstaat eigentlich von einer Bananenrepublik oder einer Diktatur unterscheidet. Vielleicht alleine das sichtbare Ausmaß des Unrechts. Was in den beiden letzteren offensichtlich ist und von den Regimen gar nicht verschwiegen wird, läuft im angeblichen Rechtsstaat ganz leise, ganz langsam, ganz subtil, wird verschleiert, verschwiegen, heuchlerisch argumentiert oder schöngeredet (wie war das mit dem Neusprech von „1984“?).

Mein naiver Wunschtraum, dass die EU einst das Flaggschiff der Menschenrechte sein könnte, rückt damit in noch weitere Ferne. Vielleicht haben wir es noch nicht so beschissen erwischt wie die USA mit ihrem asozialen Gesellschaftssystem (obwohl in Griechenland und Spanien gerade alle Sozialeinrichtungen vor die Hunde gehen und US-Verhältnisse massiv einbrechen – nein unsere Milliardenhilfe erreicht keine einzige normale Griechin, sondern fast ausschließlich die Banken – dafür zahlt man als griechischer Reeder keine Steuern – umgekehrtes Robin-Hood-Prinzip), aber langsam, still und heimlich, werden auch wir unserer Menschenrechte beraubt.

Ich will nicht in einem Europa leben, wo alleine Wirtschaft zählt und der Mensch vor die (feigen) Hunde geht, wo man mit Riesenschritten dem Unrechtssystem USA oder gar China nacheifert. Ich will an den Rechtsstaat glauben, an die Menschenrechte, die Gewaltenteilung, die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und auch an die soziale Absicherung. Das sind nicht einfach nur leere Phrasen, das ist das, was unsere freie und zugleich sichere Gesellschaft ausmacht!

Ich würde am liebsten jeder/m einzelnen Verantwortlichen die Erklärung der Menschenrechte von 1948 um die Ohren hauen. Der Holocaust war der Grund, dass diese Erklärung überhaupt geboren werden konnte. Nein, Neonazis werden (zurecht) bestraft. Aber eine andere Art von Faschismus kommt beim Hintertürl herein, leise, ganz leise. Und wie der Frosch, der im Wasser schwimmt und nicht merkt, dass es langsam erhitzt wird, bis es zu spät ist, glauben auch wir, es ist eh noch alles gut, solange man uns nur häppchenweise unsere Rechte beschneidet, solange man uns mit massig unnötigen Konsumgütern vom Selberdenken abhält.

Wir sollten wachsam bleiben und laut unsere Meinung sagen – der Überwachung zum Trotz! Mehr fällt mir derweil auch nicht ein.

P.S.: Ich möchte mich an dieser Stelle bei der Spezies Hund entschuldigen, dass ich sie als Metapher für Feigheit missbraucht habe…

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